Die Evangelistin by Goldstein Barbara

Die Evangelistin by Goldstein Barbara

Autor:Goldstein, Barbara [Goldstein, Barbara]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: BASTEI LÜBBE
veröffentlicht: 2013-11-14T16:00:00+00:00


Als Celestina im Schlaf leise seufzte, erwachte ich.

Es war noch dunkel. Wie spät mochte es sein? Der Mond war längst untergegangen.

Eng an mich geschmiegt lag sie in meinen Armen. Ihr Gesicht ruhte neben mir auf dem Kissen, ihr langes Haar fiel über ihre nackten Schultern. Tief sog sie den Atem ein und räkelte sich genüsslich.

Dann erst bemerkte ich in der Finsternis den Schatten neben ihr und erschrak.

Menandros saß auf dem Rand des Bettes und beobachtete uns, während wir schliefen.

Sanft strich er ihr über das zerwühlte Haar, als wollte er es ordnen und so die Spuren unseres ausgelassenen Liebesspiels verwischen – Celestina und ich hatten uns nach ihrer Rückkehr aus dem Palacio Grimani sehr leidenschaftlich geliebt. Verstört über die Trennung von Tristan, war sie sehr froh, dass ich gekommen war.

Als Celestina sich im Schlaf gegen mich drängte, legte Menandros sich vorsichtig auf das Bett, glitt ganz nah heran und umarmte sie – als hätte er sie geliebt.

Ich wagte nicht mich zu bewegen und blinzelte in die Finsternis.

Was tat er denn?

Tief atmete er den Duft ihres Haares ein, küsste ihre Schulter, streichelte sie leise wie ein Windhauch von der Lagune.

Wie ein stechender Schmerz durchzuckte mich ein Gedanke: Wie oft hatte er in den vergangenen Nächten schon neben uns gelegen, wenn wir fest schliefen? Wie oft hatte er uns schon unbemerkt von der offenen Schlafzimmertür aus beobachtet, wenn wir uns geneckt, gestreichelt, geküsst … wenn wir uns geliebt hatten? Wie oft hatte er gelauscht, wenn wir eng umschlungen über unser Glück und unser gemeinsames Leben gesprochen hatten?

Wie sehr er sich nach Liebe sehnte!

Was sollte ich nun machen? So tun, als würde ich ihn nicht bemerken, obwohl er doch nicht einmal eine Armlänge von mir entfernt lag? Nein, das konnte ich nicht!

Tief atmend drehte ich mich zu Celestina um und legte meinen Arm um sie.

Menandros ließ sie los, verharrte einen Herzschlag lang reglos auf dem Bett und wartete ab, ob ich aufwachen würde. Als ich ruhig weiterschlief, erhob er sich und schlich aus dem Schlafzimmer. Die Tür ließ er nur angelehnt.

Eine Weile lag ich da und lauschte in die Finsternis.

Leises Schluchzen.

Um Celestina nicht zu wecken, setzte ich mich vorsichtig auf. Dann glitt ich aus dem Bett und schlich zur halb offenen Tür der Bibliothek.

Dort saß Menandros im Dunkeln und weinte leise.

Was sollte ich tun? Ihn trösten? Oder in Celestinas Armen seinem Schluchzen lauschen? Nein, das konnte ich nicht ertragen!

Leise schlich ich zur Treppe und huschte die Stufen hinunter. Die Tür zu seinen Räumen war unverschlossen, und so trat ich ein und ging hinüber zu seinem Arbeitstisch, auf dem die geheimnisvolle Ikone lag. Wieso verbarg er sie vor mir?

Vorsichtig zog ich das Tuch von dem kleinen Gemälde, doch in der Dunkelheit konnte ich nicht erkennen, wen es darstellte.

Ich brauchte Licht.

Tastend fand ich eine Kerze und entzündete sie.

Dann starrte ich ungläubig auf die Ikone: Es war Celestina!

»Gefällt es dir?«

Erschrocken fuhr ich herum: Menandros stand drei Schritte hinter mir. Sein Eintreten hatte ich nicht bemerkt.

»Ja, sehr«, gestand ich verlegen.

Er kam näher und trat dicht neben mich, bis wir uns berührten.



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